Sichtlich erfreut ist Norbert Leisegang von Keimzeit endlich wieder auf der Bühne zuu stehen.
Bernd Brundert
Samstag, den 23. April 2022 um 00:26 Uhr
Aller guten Dinge sind drei

Keimzeit machen in München „Kein Fiasko“

Keimzeit beehrt München. Nobert Leisegang und seine Mannen erobern an diesem schönen Frühlingsabend im Jahr 2022 nach der langen Corona-Pause das "Ampere" zurück. "Kein Fiasko" hieß das Motto des Abends.

Kein Fiasko“ ist nicht nur der Titel des neuen Albums von Keimzeit. „Kein Fiasko“ heißt auch die gleichnamige Tournee. „Kein Fiasko“ wurde dieser Abend beim dritten Anlauf. „Kein Fiasko“ ist auch die Tatsache, dass mir jetzt die „Kein Fiasko“-Sätze ausgehen.

Keimzeit rockt das Ampere in München

Es ist ein lauer Frühlingsabend im Jahr 2022 und Keimzeit begeistert München. Damit könnte dieser Artikel bereits enden. Es wäre alles gesagt. Dieser kleine Satz sagt, dass das Wetter herrlich war und die Sonne über München schien. Dieser Satz sagt schon, dass Keimzeit eine der wenigen Bands ist, die es sich leisten können ihrem Publikum ein abwechslungsreiches Programm zu bieten. Sie müssen nicht ihren „Greatest Shit“ das 30-ste Jahr in Folge spielen.

Keimzeit hat ein Publikum, dass es zu schätzen weiß, dass Nobert Leisegang, Harmut Leisegang, Andreas „Spatz“ Sperling, Lin Dittmann, Lars Kutschke und Sebastian Piskorz vor jeder Tournee auf’s Neue eine Setliste aufsetzen, die es in sich hat, vor Überraschungen strotz und an Abwechslung nicht zu überbieten ist. Die Band wird dafür vom Publikum in München mit Jubel bei den ersten Tönen der Songs und mit Textsicherheit selbst bei Titeln vom neuen Album „Kein Fiakso“ belohnt.

Keimzeit seit 40 Jahren auf der Bühne

Keimzeit kann dabei für das Tour-Programm „Kein Fiasko“ nicht nur auf das gleichnamige Album zurückgreifen, sondern zum 40-jährigen Bühnenjubiläum aus dem Vollen schöpfen. 1982 wird die Band gegründet. Während der DDR-Zeit wurden sie von den Kulturverantwortlichen ausgezeichnet und geschollten. Für das „Kinderlied“ wurde die Band sogar zweitweise verboten und das Lied auf den Index gesetzt. Es durfte nicht veröffentlich und auch nicht auf der Bühne gespielt werden. An Aktualität hat das „Kinderlied“ jedoch nicht zuletzte wegen des Krieges in der Ukraine bis heute nichts verloren.

Es tut unheimlich weh, wenn ich Kinder seh,
Die mit Gewehren zielen und mit Panzern spielen,
Soldaten aus Plaste gehen dabei dann drauf,
Soldaten aus Plaste stehen immer wieder auf …
Es tut unheimlich weh, wenn ich am Ende sie seh,
Wie sie für Vaterland und Orden sinnlos morden,
Lebende Menschen gehen dabei dann drauf,
Doch wenn wir erstmal tot sind, stehen wir nie wieder auf.

1990 erscheint das erste Album „Irrenhaus“. 18 Alben sollen bis heute folgen. Würde man das erste Konzert von Keimzeit besuchen, hätte man an diesem Abend im Ampere München das Gefühl, dass sie die Kuriositäten-Sammlung daraus zusammen gestellt haben. Der „Plastiktütenmann“ oder auch der „Hausmeister“ vom neuen Album „Kein Fiasko“, aber auch „Der fliegende Teppich“ oder „Nicht“ vom Vorgängeralbum Das Schloss sind nun sicher keine Allerweltsthemen. Doch spätestens beim zweiten Konzert weiß man, dass man bei Keimzeit im absolut positiven Sinne „Immer ins Irrenhaus“ geht.

Da gibt es „Flugzeuge ohne Räder“, „Clowns“ und den „Hofnarr“. „Das zieht sich“ „So“ durch die Jahre. „Das alles ist doch nur zur Unterhaltung gedacht. Was kann ich dafür, wenn ihr daraus ein Drama macht ?!“ – singt Norbert Leisegang bereits seit mind. 1990 im Titel „Kintopp“ und auch an diesem Abend mit einem Augenzwinkern. Keimzeit ist nichts Seichtes. Die Lieder plätschern nicht dahin. Auch nicht, wenn der größte Hit der Band „Kling Klang“, der auch an diesem Abend wieder das Schlusslicht macht, es vermuten lässt.

Keimzeit von „Thronräubern“ und „Mädchen für alles“

Sicher besingen sie Alltagsthemen wie in „Mädchen für alles“ oder „Das Projektil“, aber nicht auf eine alltägliche Art und Weise, dafür aber immer mit einer gehörigen Portion (Selbst-)Ironie und Sarkasmus. Glauben Sie nicht? Dann lauschen Sie mal dem „Thronräuber“ vom neuen Album „Kein Fiasko“. „Und schon ist im Handumdrehen auf der Bühne wieder Platz“ bedeutet, wie Norbert Leisegang an diesem Abend den Münchnern erzählt, nicht mehr als, dass die alten Herren und Helden des Rock’n’Roll – die Idole nicht nur einer Generation – jetzt so nach und nach die Bühne auf natürliche Art und Weise verlassen werden „und schon ist …“. Vielleicht sogar für den jungen Mann mit den neongrünen Kopfhörern, der nach dem Konzert sagte, dass „sich an diesem Abend sein größter Traum erfüllte“. Ein „Trauriges Kind“ blieb da jedenfalls nicht zurück.

Keimzeit macht eben Rock für Jung und Alt, aber nicht für Jedermann und Allewelt. Dabei kommt jedes Bandmitglied zum Ohr des Konzertbesuchers. Die Gitarre von Lars Kutschke, das Schlagzeug von Lin Dittmann, der Bass von Hartmut Leisegang, das E-Piano und die Stimme von Andreas „Spatz“ Sperling und das Flügelhorn von Sebastian Piskorz. Frontmann Norbert Leisegang zollt dabei jedem seiner Musiker seinen Respekt und die Jungs können ihr Handwerk.

Doch auch „Ein schöner Tag“ – oder besser gesagt ein schöner Abend – geht einmal zu Ende. „Betrunken“ vor Glückseeligkeit geht es dann „Kling Klang – Die Straße entlang“ … „Nach Hause – im Wiener-Walzer-Schritt“. Ich empfehle jedoch einen Umweg über den Merchandising-Stand. Wenn ich da schon eskaliere, dann schaffen Sie das auch. Denn auch da ist nichts „Null-Acht-Fünfzehn“

Keimzeit – „Kein Fiasko“-Tournee Trackliste München Ampere – 21.04.2022

  • „Ein schöner Tag“ („Smart & gelassen warten“ – 2000)
  • „Sommernächte“ („Bunte scherben“ – 1993)
  • „Clowns“ („Kein Fiasko“ – 2022)
  • „Kein Fiasko“ („Kein Fiasko“ – 2022)
  • „Nicht“ („Das Schloss“ – 2022)
  • „Plastiktütenmann“ („Kein Fiasko“ – 2022)
  • „Irrenhaus“ („Irrenhaus“ – 1990)
  • „Geht schief“ („Das Schloss“ – 2019)
  • „Zweig“ („Kein Fiasko“ – 2022)
  • „Mädchen für alles“ („Kein Fiasko“ – 2022)
  • „Flugzeuge ohne Räder“ („Irrenhaus“ – 1990)
  • „Hausmeister“ („Kein Fiakso“ – 2022)
  • „Hofnarr“ („Irrenhaus“ – 1990)
  • „Betrunken“ („Irrenhaus“ – 1990)
  • Geburtstagsständchen: „Das Projektil“ („Im elektromagnetischen Feld“ – 1998)
  • „Singapur“ („Kapitel elf“ – 1991)
  • „So“ („Irrenhaus“ – 1990)
  • „Trauriges Kind“ („Bunte Scherben“ – 1993)
  • „Maggie“ („Kapitel Elf“ – 1991)
  • „Thronräuber“ („Kein Fiasko“ – 2022)
  • „Kintopp“ („Irrenhaus“ – 1990)
  • Andreas „Spatz“ Sperling „Manchmal“ („Kein Fiasko“ – 2022)
  • „Kinderlied“
  • „Näher mein Herz“ („Primeln und Elfenaten“ – 1995)
  • „Das zieht sich“ („Kein Fiasko“ – 2022)
  • Kling Klang („Bunte Scherben“ – 1993)

Eine Bildergalerie folgt in Kürze …